Die momentane Situation bringt auch viele Student*innen in finanzielle Nöte. Zwei Drittel
von ihnen müssen nebenbei arbeiten, um sich ihr Studium zu finanzieren. Doch wie können Student*innen ihre Miete bezahlen oder ihre finanzielle Unabhängigkeit bewahren, wenn ihr
Einkommen plötzlich wegfällt?
Um diese und andere Fragen zu beantworten, habe ich mit der Offenbacherin Annika Niemeyer gesprochen. Sie studiert Politikwissenschaft an der Goethe-Universität und ist in der Verdi- und DGB- Jugend sowie der DGB-Hochschulgruppe aktiv. Zunächst wollte ich von Annika wissen, wie sich ihre eigene Situation durch die Corona-Pandemie verändert hat.
Sie arbeitet als Büroangestellte für ein Taschen- und Koffer-Geschäft in Frankfurt:
Es ist durch die aktuelle Situation zu Umsatzeinbußen gekommen, […] weshalb in absehbarer Zeit weniger Arbeit zu tun sein wird. […] Deshalb kann ich, anders als geplant, derzeit leider nicht voll arbeiten. […] Außerdem bin ich die einzige Mitarbeiterin, die nicht im Homeoffice ist.
Wieso, das weiß ich nicht. Aber ich vermute, dass ich wegen meiner geringen Arbeitszeit
nicht genug Geld erwirtschafte, als dass sich bei mir das Einrichten eines Homeoffice lohnen würde.
Momentan arbeitet Annika 10 Stunden die Woche. Allerdings hatte sie vor der Krise geplant, diese für die Semesterferien zu verdoppeln, um sich die Studienkosten für das nächste Semester anzusparen. Momentan plant mein Chef allerdings, meine Arbeitsstunden zu verkürzen. Außerdem macht sie sich sorgen darüber, ob ihr Job überhaupt noch sicher ist.
Wenn meine Stunden tatsächlich gekürzt werden sollten, müsste ich mich eigentlich nach etwas Neuem umschauen, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Doch gerade2Student*innen haben auf dem Arbeitsmarkt gegenwärtig kaum Möglichkeiten. Unzählige Jobs sind durch die Corona-Pandemie weggefallen, sodass eine starke Konkurrenz-Situation entstanden ist. Währenddessen bleiben Studien- und Lebenskosten gleich.
Und noch eine weitere Sorge geht um. An vielen Hochschulen gilt das momentane Corona- Semester zwar nicht als Fachsemester und die Student*innen erhalten daher für ein weiteres Semester BAföG, jedoch ist das längst nicht überall so. Wer an Hochschulen studiert, wo das Sommersemester nicht als „Ausnahmesemester“ gewertet wird, dem*der droht ein Wegfallen der Förderung in den späteren Semestern. Denn klar ist: Auch an ein reguläres Studium ist nicht zu denken. Dadurch wachsen die Herausforderungen für Annika und ihre Kommiliton*innen weiter an: Ich habe von einigen aus der Gewerkschaft erfahren, dass viele Student*innen gekündigt wurden. Durch die Werkstudentenverträge und allgemein geringere Arbeitszeiten sind sie leichter kündbar als andere Beschäftigte. Darum sind viele Studenten in großer Sorge ihre finanzielle Unabhängigkeit zu verlieren, oder sich ihr Studium nicht mehr leisten zu können. Zwar gab es für Betroffene eine Einmalzahlung von 200€ vom Land Hessen, aber dieser Topf hat nicht einmal für alle Student*innen gereicht. […] Außerdem ist es unmöglich, von 200€ ein WG-Zimmer in Offenbach oder Frankfurt zu bezahlen und selbst wenn, weiß man immer noch nicht, wie man essen soll.
Schließlich wollte ich von Annika wissen, was man ihrer Ansicht nach ändern müsse, um den Student*innen effektiv zu helfen: Vor allem darf es keine Kündigungen während der Corona- Zeit geben. Außerdem muss die finanzielle Unterstützung aufgestockt werden. 200€ sind eindeutig zu wenig. Es sollte auch dafür gesorgt werden, dass die Leute nicht aus ihren Wohnungen und WG-Zimmern fliegen. Was die BAföG-Förderung angeht, darf das gegenwärtige Corona-Semester, und womöglich auch künftige, nicht in die Semesterberechnung einfließen. Es sollte generell mehr Toleranz seitens der Hochschulen geben, da das Studieren in diesen Zeiten nicht einfach ist. Egal ob man Existenznöte hat oder nicht. Beispiele wie Annika machen deutlich, dass gerade Student*innen in den Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie übersehen werden. Dabei ist ihre prekäre Situation offensichtlich. Denn Annikas Geschichte zeigt vor allem, dass Student*innen sich aufgrund ihres laufenden Studiums weitaus schlechter am Arbeitsmarkt positionieren können, als es Arbeitnehmer*innen sowieso schon schwerfällt. Und anders als oft angenommen, geht es beim Schutz von Student*innen als prekäre Gruppe nicht um vermeintliche Faulenzer. Sie studieren, um künftig Schlüsselrollen einzunehmen und Steuerlasten zu schultern. EineRegierung darf das nicht übersehen.
Ein Beitrag von Ruth Roxane Eckrich, Offenbacher Juso-Vorsitzende.
Kommentar schreiben