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Straßenkunst und Altagsheld*innen... in und vor Pflegeheimen

In der ganzen Stadt verteilt gibt es mehrere Seniorenheime, Tagespflege-Angebote, ambulante

Dienste und zwei Krankenhäuser, die sieben Tage die Woche 24 Stunden für uns da sind. Grade jetzt über Ostern hatten all die Menschen, die dort arbeiten – von Pflege und ärztlicher Versorgung über Technik bis Küche – noch mehr zu tun, als dies schon im normalen Arbeitsalltag der Fall ist. Dazu gehörte, trotz Corona-Krise irgendwie dennoch ein bisschen Oster-Feeling rüberzubringen für die Bewohner*innen und Patient*innen, und die fehlenden Besuche der Verwandten durch die ein oder andere Geste aufzufangen. Dass es keine Besuche mehr geben darf, ist richtig – Arbeitsbelastung und Betreuungsintensität sind dadurch aber deutlich intensiver geworden.

„Wir lassen niemanden allein – grade an solchen Feiertagen, die für viele unserer Bewohner wichtig sind“, erklärt mir eine Mitarbeiterin des Seniorenheims in meinem Wohnviertel. Eines wird im Gespräch mit ihr und anderen Pflegenden schnell klar: Schoki & warme Worte sind zu wenig. Das galt übrigens schon vor der Corona-Krise.

„Andrá tutto bene!“

 

In fünf Sprachen steht diese Message auf einem der vielen kleinen Plakate, die in einer lockeren Reihe am Zaun des Seniorenheims hängen. Alles

wird gut! Mit dieser Mutmach-Message senden die Bewohner*innen des Seniorenheims gemeinsam mit dem Pflegepersonal Post nach draußen für alle, die an dem Gebäude vorbeispazieren, zum nahen REWE radeln oder noch mal kurz vor der Tagesschau mit dem Hund Gassi gehen. „Alles wird gut!“, „Haltet durch!“ oder „Wir denken an euch“ steht auf den Plakaten, die oft noch mit Blümchen, Herzen, bunten Handabdrücken oder Verzierungen geschmückt sind. Wie die ABI-Plakate an der Marienschule trägt jedes Bild seine ganz eigene Handschrift. Straßenkunst, die uns hier draußen Gesundheit, Glück, Liebe, Hoffnung und Zuversicht wünscht oder zur Solidarität aufruft. DANKE dafür an die Bewohner*innen und das Personal des Seniorenheims in der Elisabethenstraße!

Im Gespräch mit der Mitarbeiterin erfahre ich an der Eingangstür, dass es seit der Corona-Krise eine „Schleuse“ gibt. Hier können Verwandte,

Freunde, Nachbarn oder jeder, der möchte, kleine Aufmerksamkeiten abgeben. Ein Gedicht, ein Bild, ein Buch oder die eigene Lieblingsschokolade … Das Ganze wird drinnen an den speziellen Adressaten übergeben oder an alle verteilt.

Kleine Gesten, die große Gefühle ausmachen können. Und der Begriff Schleuserbande bekommt ganz nebenbei eine völlig neue, positive Konnotation … :-)

Alltagsheld*innen

 

Auf Balkonen, an offenen Fenstern stehen Menschen, auch in Deutschland, und applaudieren. Ein lautstarker, solidarischer Dank für Ärzte,

Pflegekräfte und Mitarbeiter*innen aus anderen Bereichen der Grundversorgung. Pflegekräfte brauchen bei ihrer starken Belastung durch die

Corona-Krise aber mehr als nur warme Worte. Klar freuen sie sich auch über Applaus und Anerkennung, aber lieber hätten sie einen gerechteren Lohn für ihr Arbeit: Viele Pflegekräfte in Krankenhäusern oder Seniorenheimen machen für wenig Geld einen harten Job, gerade jetzt. Vor einigen Tagen twitterte ein junger Pfleger: „Wir Pflegekräfte brauchen keine Klatscherei. Wir wollen auch keine Merci-Schokolade und warme Worte! Wir brauchen 4000 Euro brutto, mehr Personal, Gefahrenzulagen und ein entprivatisiertes Gesundheitssystem!“

 

Wir sollten beides machen: klatschend auf dem Balkon danken und uns mit den Pflegekräften für deren völlig legitime Forderungen einsetzen, für bessere Bedingungen für sie und somit auch für alle Bewohner und Patienten. Oder wie es der Krankenpfleger Marc Gonschorek im FR-Interview auf den Punkt bringt:

„Ich würde mir wünschen, dass sich eine Angela Merkel mal hinstellt und uns nicht nur dankt, wie in ihrer Fernsehansprache, sondern auch sagt: Wir tun was, wir werden euch nicht vergessen, wenn das Ganze vorbei ist.“

 

Marc Gonschorek, 36, ist Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie. Er arbeitet seit elf Jahren am Klinikum Stuttgart, zurzeit auf der chirurgischen Intensivstation. Das volle Interview von Alicia

Lindhoff mit ihm findet ihr hier: https://www.fr.de/politik/intensivpfleger-covid-19-krise-diese-lobhudelei-aergert-mich-13640028.html

Nach der „Corona-Krise“ soll/wird/könnte vieles anders sein: Eine erstarkte Motivation für Veränderungen zum Beispiel, ein Nachdenken über festgefahrene oder vermeintlich unverrückbare gesellschaftliche Gegebenheiten. Das sagen und fordern viele zu Recht. Und dabei sollte es zu allererst nicht um die drei Lieblings-Eiskugeln möglichst zeitnah to go à la FDP oder über den Trainingsstart im Sparda-Stadion

gehen, sondern um eine gerechtere Bezahlung in all den „systemrelevanten“ Jobs von Pflege über Müllentsorgung bis zur Supermarktkasse.

Und hier noch ein OF-Tipp zum Thema Seniorenheime:

 

Briefe für Bewohner – klasse Aktion des Freiwilligenzentrums OF

 

Das Freiwilligenzentrum ruft Kinder dazu auf, Briefe an die Bewohner*innen von Seniorenheimen zu schreiben. Dort gelten wegen der Corona-Pandemie Besuchsverbote. Wer mag, kann auch Bilder oder Gebasteltes mitschicken.

 

Die Adressen lauten:

Domicil Seniorenpflegeheim im Westend, Ludwigstraße 62, 63067 OF;

Pflegeheim Anni-Emmerling-Haus, Bischofsheimer Weg 77, 63075 OF.

Die Briefe sollten per Post geschickt werden.

I.T.

 

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